Prof. Friedrich Wilhelm Schnurr ist tot – diese traurige Nachricht erreichte die Hochschule mitten im Sommersemester dieses Studienjahres. Der Ehrensenator Schnurr ist am 14. Juni 2017 im Alter von 88 Jahren gestorben. Über 60 Jahre war er der Hochschule in den unterschiedlichsten Funktionen verbunden: Zuletzt als Alumnus, der in Detmold als Professor für Klavier und in verschiedenen Leitungsfunktionen bis hin zum Rektor wirkte. Er war ein im Haus immer präsenter und hoch geschätzter Kollege. Hochschulrektor Prof. Dr. Thomas Grosse würdigt die Verdienste seines Amtsvorgängers in einem Nachruf.
Prof. Friedrich Wilhelm Schnurr wurde 1929 in Göttingen geboren. Er wuchs in Gütersloh auf. Von 1949 bis 1953 absolvierte er sein Klavierstudium an der damaligen Nordwestdeutschen Musikakademie Detmold in der Klasse von Hans Richter-Haaser. Das Konzertexamen schloss er im Jahr 1953 mit Auszeichnung ab. 1959 gewann Schnurr den 1. Preis beim ARD-Wettbewerb in München. Ein „Berserker des Übens“ sei er nie gewesen, verriet er in seinen späten Jahren einmal in einem Interview mit der Neuen Westfälischen. Trotzdem prägten eine umfangreiche Konzerttätigkeit im In- und Ausland seine Karriere. Den Spagat zwischen seiner erfolgreichen künstlerischen Tätigkeit als Pianist, seinem pädagogischen Engagement und seiner Aufgabe als Rektor unserer Hochschule wusste er gekonnt zu meistern. Solokonzerte, kammermusikalische Auftritte und Meisterkurse führten ihn unzählige Male nach Venezuela, nach Südafrika, in den Libanon, nach Nordund Südamerika, Ostasien sowie besonders nach Japan. Dies führte wohl dazu, dass Detmold in den japanischen Städten bald in einem Atemzug mit Düsseldorf oder München genannt werden konnte. In einem Bericht aus der Lippischen Landes-Zeitung von 1986 ist von einer wahrhaft euphorischen Stimmung bei einer seiner Konzerttourneen die Rede. Die Japaner trugen Schnurr buchstäblich auf Händen. In den letzten 25 Jahren hatten etwa 400 junge Leute aus Japan an der Detmolder Musikhochschule studiert. Allein 40 davon absolvierten das Studium in Schnurrs Klasse.
Wohl wenige wissen, dass Schnurr noch bis zuletzt Meisterkurse gab, der letzte hat nicht mehr stattfinden können: Er war für den Sommer 2017 in Kirchzarten für sieben seiner japanischen Studierenden geplant. Der Ort im Südschwarzwald war für Schnurr immer wieder ein Refugium.
Immer wieder bereiste er auch mit dem Detmolder Kammerorchester ein Festival im französisch-schweizerischen Sion, das zu Ehren von Tibor Varga ausgerichtet wurde. Dort gab er sowohl Meisterklassen als auch Konzerte mit dem Orchester unter Vargas Leitung. Schnurrs künstlerisches Schaffen ist auf seiner umfangreichen Diskographie belegt. Noch mit 85 Jahren spielte er eine neue CD ein, deren Erlös dem Schuldorf Otjikondo (Namibia) zugute kam. Die Hochschule stellte damals kostenlos ihr Konzerthaus als Aufnahmeort und das Tonstudio des Erich-Thienhaus-Instituts zur Verfügung, Studierende übernahmen unentgeltlich die Aufnahmeleitung.
Schnurrs Lehrtätigkeit an der Hochschule für Musik Detmold umspannte den Zeitraum 1958 bis 1997. Seine ausgedehnten Konzertreisen, die ihm auch während seiner Amtszeit als Rektor den nötigen Weitblick gaben, trugen wesentlich dazu bei, den Ruf der damals noch jungen Hochschule in die Welt zu tragen. Viele hochbegabte Menschen folgten ihm, um in Detmold zu studieren. 1965 wurde Schnurr zum Professor berufen und leitete von 1971 bis 1976 das hiesige Seminar für Musikerziehung. Ab 1972 wirkte Schnurr als Stellvertretender Direktor an der Seite des langjährigen Direktors Prof. Martin Stephani, dessen Nachfolge er 1982 antrat. So lenkte er bis ins Jahr 1993 als Rektor die Geschicke der Hochschule. Seine Amtszeit war geprägt durch sicheres Bewahren und konstruktives Weiterbauen, was er selbst in seinen Reden als „die Beständigkeit in der Veränderung“ bezeichnete. In diese Zeit fiel vor allen Dingen die Neugestaltung der Strukturen der Hochschule durch das neue Kunsthochschulgesetz, das in Detmold die Gründung von drei Bereichen erforderte, die unter Schnurr um die Fachbereiche 4 und 5 der angegliederten Abteilungen in Dortmund und Münster ergänzt wurden. Thema war darüber hinaus der tiefgreifende Generationswechsel innerhalb des Kollegiums. Lehrende, die von Beginn der ersten Stunde an die Geschicke der Hochschule geprägt hatten, verabschiedeten sich in den Ruhestand. Mit der Nachbesetzung einer neuen Generation an Lehrenden konnte die damalige Akademie unter Schnurr weiterhin Geschichte schreiben. In seine Zeit fielen beispielsweise die Berufungen von Anatol Ugorski, Christoph Poppen und Nobuko Imai. Auch war die Idee eines „Campus im Grünen“, mit der die Anordnung der Hochschule rund um den historischen Palaisgarten beschrieben wird, Schnurrs Verdienst und konnte später von seinen Amtsfolgern fortgesetzt werden. In dieser ganzen Zeit erwies es sich stets als Vorteil, dass Schnurr bereits seit seiner Studienzeit eng mit der Hochschule verwurzelt war.
Nach seiner Emeritierung erhielt Schnurr 2010 die Ehrensenatorwürde der Hochschule. Dies gab ihm die Möglichkeit, an den weiteren Entwicklungen der Hochschule Anteil zu nehmen. Der Senat profitierte von seiner wohlwollenden, aber auch kritischen Begleitung. Selbst in schwierigen Phasen – insbesondere bei den Debatten um den früheren Direktor Prof. Martin Stephani – begegnete Schnurr allen Menschen mit Respekt. Als Erkenntnisse über Stephanis Haltung und Rolle im Nationalsozialismus absehbar wurden, bestätigte er in einer beeindruckenden Stellungnahme gegenüber dem Senat die Sinnhaftigkeit dieser Untersuchung. Dieser besondere Moment voller Authentizität und menschlicher Größe ist den Senatsmitgliedern in nachhaltiger Erinnerung geblieben. Der Senat ist dankbar für die Möglichkeit, von den Erfahrungen seiner langen Leitungsaktivität an der Hochschule profitiert zu haben.Schnurr war eine in vielerlei Hinsicht beeindruckende Persönlichkeit. In Gesprächen verband er seinen unermesslichen Erfahrungsschatz und sein echtes Interesse an den Gesprächsthemen mit einer abgeklärten Analyse. Dabei trat er stets zugewandt, humorvoll, bescheiden und tolerant auf.
Mit Friedrich Wilhelm Schnurr ist ein bedeutendes Stück Geschichte von uns gegangen. Die Hochschule gedenkt seiner voller Respekt, Sympathie und Dankbarkeit.(Prof. Dr. Thomas Grosse)