Was gäbe es über die acht Impromptus von Franz Schubert noch zu sagen, das nicht längst bekannt wäre? Wer Klavier spielt, lernt sie - oder doch die meisten von ihnen - bereits als Kind in der Klavierstunde kennen, und wenn es darin auch manches zu üben gibt, was nur auf den ersten Blick als leicht erscheint, so gelten diese Stücke im allgemeinen doch als höchstens mittelschwer.
So dachte auch ich, als ich mich als Kind erstmals mit Schuberts Klaviermusik beschäftigte. Ich fand die Impromptus sehr schön, eigentlich leicht zu spielen, jedenfalls nicht so schwer wie die Wanderer-Fantasie und die großen Sonaten, vor denen ich mich noch ein wenig fürchtete, aber auch nicht so bedeutend - eben, wie man sagt: „Hausmusik”.
Doch diese Einschätzung änderte sich im Laufe der Zeit, und schließlich wurde mir klar, dass diese „Impromptus”, ihrem Namen nach zu urteilen scheinbar leicht hingeworfene Kompositionen, in Wahrheit zum Höchsten und Tiefsten gehören, was die gesamte Klavierliteratur aufzuweisen hat.
Natürlich wuchsen mit dieser Erkenntnis auch die Schwierigkeiten der Interpretation, nicht obwohl, sondern gerade weil die spieltechnischen Anforderungen, für sich genommen, tatsächlich bald bewältigt waren - doch dann fangen ja die Gestaltungsprobleme bei großer Musik in der Regel erst an.
Und so haben mich diese „Klavierstücke” (wie sie Schubert selbst genannt hat) bis heute begleitet und immer wieder neu zur Nachgestaltung angeregt und herausgefordert. Sie sind Musik für Klavier, natürlich, aber immer auch wesentlich mehr: Sie weisen über das Instrument hinaus, selbst dort, wo sie pianistisch virtuos gesetzt sind, wie in den schwingenden Tonleitern des Es-Dur-Stückes aus op. 90 oder in den brillianten Passagen des tänzerisch bewegten f-Moll-Impromptus op. 142 Nr. 4.
Unerschöpflich ist der Reichtum an melodischen Einfällen, wie wir sie vielfach aus Schuberts Liedern kennen. Das Ges-Dur-Impromptu aus op. 90 ist geradezu in seiner Gesamtheit ein auf dem Klavier zu singendes Lied, es könnte, wie später bei Mendelssohn, durchaus „Lied ohne Worte” heißen.
F. W. Schnurr (Einführungstext zur CD mit Impromptus von F. Schubert 1994)